Deutschland hat die Krisen der Nullerjahre gut überstanden. Dazu hat die wirtschaftliche Struktur Deutschlands maßgeblich mit beigetragen. Das starke Fundament dafür sind die Betriebe des Mittelstands: 4,5 Mio. Betriebe aus Handwerk, Handel, Industrie und Gastgewerbe beschäftigen drei Viertel aller Arbeitnehmer und bilden vier Fünftel aller Lehrlinge aus. Mit 1 Million Betrieben mit 5,4 Millionen Mitarbeitern in über 130 Berufen und 380.000 Auszubildenden leistet allein das Handwerk einen unverzichtbaren Beitrag für Deutschlands Wirtschaftsentwicklung, Beschäftigung und Ausbildung.
Diese Zahlen erklären noch nicht, warum der Mittelstand in Deutschland so erfolgreich ist. Dafür muss man sich mit regionaler Verankerung auseinandersetzen, muss mit vielen Betriebsinhabern ins Gespräch kommen. Schnell wird deutlich, dass über die verschiedenen Wirtschaftsbereiche hinweg immer wieder eine besondere Eigenschaft hervorsticht: Unternehmergeist, gepaart mit dem Selbstverständnis und unbedingten Willen, sich gesellschaftlich einzubringen, Verantwortung zu übernehmen. In den Betrieben, oftmals in Familienhand, zählen nicht nur die Zahlen: Hier zählen die eigenen Mitarbeiter, die Auszubildenden, das örtliche und regionale Umfeld, der persönliche Beitrag zum guten gemeinschaftlichen Zusammenleben. Es ist dieser Mix an gemeinsamen Wertvorstellungen aus Eigeninitiative, gesellschaftlicher Verantwortung, Nachhaltigkeit und langfristigem Denken, der sich auch im unternehmerischen Schaffen abbildet, welches wiederum in wirtschaftlichem Erfolg mündet.
Umso wichtiger ist eine Wirtschaftspolitik, die auf diese Mehrheit an Unternehmen in unserem Land ausgerichtet ist. Mittelstandsfreundliche Rahmenbedingungen sind eine zentrale Voraussetzung dafür, dass diese Betriebe erfolgreich wirtschaften können und auch weiter in die Zukunft ihrer Betriebe investieren.
Hier gibt es schon jetzt einiges nachzuholen: In Zeiten, wo Digitalisierung alle sozialen und wirtschaftlichen Räume durchdringt, brauchen wir Datenautobahnen. Genauso wichtig ist ein längst notwendiges "update" der Verkehrsinfrastruktur. Hier braucht es mehr öffentliche Investitionen, bei denen mittelständische Betriebe die Chance bekommen müssen, sich zu beteiligen, damit nicht ausschließlich Großunternehmen im Rahmen von vermeinflich kostensparenden ÖPP-Projekten zum Zuge kommen. Dafür, ebenso wie an anderen Stellen, muss Bürokratie abgebaut werden.
Wenn wir in die Zukunft schauen, muss vor allem die Finanzierung des Mittelstands abgesichert werden - durch den Erhalt der in Deutschland bewährten Finanzierungsstruktur aus Groß- und eigenständig handelnden Regionalbanken, die als vorrangiger Finanzierungspartner des Mittelstands nicht in ihrer Flexibilität eingeschränkt werden dürfen, etwa durch EU-Auflagen. Und eine veränderte Erhschaftssteuer sollte das Bestandsvermögen nicht berühren, damit Betriebsübergaben nicht gefährdet werden. In den Betrieben durchstarten sollen aber nicht nur motivierte Betriebsübernehmer - allgemein müssen wir wieder mehr junge Menschen für eine betriebliche Ausbildung begeistern, denn wir sind vor allem auf den Fachkräftenachwuchs angewiesen. Jugendliche müssen während der Berufsorientierung in den Schulen von den Möglichkeiten einer betrieblichen Ausbildung und den damit verbundenen Aufstiegsmöglichkeiten erfahren und dürfen nicht nur in Richtung Studium geschickt werden.
Insgesamt gilt es, Wachstum und damit mehr Beschäftigung zu ermöglichen. Nur unter mittelstandsfreundlichen Rahmenbedingungen bleibt den Betrieben der Raum für Innovation, Flexibilität und unternehmerischen Mut - als Voraussetzungen für wirtschaftlichen Erfolg, auf den Deutschland zum Wohle aller auch in Zukunft angewiesen sein wird.
Quelle: Verlag der Wirtschaftsprüfer idp - 14.2016